Ahmet Altan: „Ich werde die Welt nie wiedersehen“

Das beste Buch ist das gute Buch, das ich grade gelesen habe. Dieser Satz trifft leider nicht zu auf Ahmet Altans Buch „Ich werde die Welt nie wiedersehen“.

Das Buch des türkischen Autors und Journalisten, der soeben in Abwesenheit in München den Geschwister-Scholl-Preis erhalten hat und zum Ehrenmitglied des P.E.N.-Zentrums ernannt wurde, umfasst knapp zweihundert Seiten. Es beginnt mit der Festnahme des Autors – einer Festnahme, die ihn nicht überrascht, weil er jeden Abend, wenn er zu Bett geht, wie er schreibt, damit rechnet, am folgenden Morgen von der Polizei geweckt zu werden.

Es endet mit einer Reflexion über eine Beobachtung des Philosophen Zenon, das ein bewegliches Objekt nicht da ist, wo es ist, und auch nicht da, wo es nicht ist.
Altan bezieht diesen Satz auf sich in seiner Eigenschaft als Schriftsteller, der im Gefängnis sitzt. Denn auch er wähnt sich nicht im Gefängnis, während er dort einsitzt und ist auch nicht irgendwo anders, während er im Gefängnis ist. Seit ich im Gefängnis bin, erklärt er, bin ich noch keinen morgen im Gefängnis aufgewacht.

Das Buch ist stark, wo es den Gefängnisalltag beschreibt, es ist schwach, wo der Autor über dies und das nachdenkt. Die Bildung, die seiner Übersetzerin schon bei den ersten Begegnungen, positiv auffällt, wirkt in „Ich werde die Welt nie wiedersehen“ etwas gezwungen. In jedem Kapital wird ein in der Regel bekannterer Autoren erwähnt, von dem diese oder jene Lebensweisheit stammt. Unabhängig davon, ob es sich um Lew Tolstoi, José Saramago, Arthur Miller, Elias Cannetti, Oskar Wild oder Ibn Al-Arabi handelt.

Davon wird mir nichts im Gedächtnis bleiben. Gerne werde ich mich aber an die eindrücklich geschilderten Szenen der Verhaftung, der Ankunft im Gefängnis mit den draußen stehenden Lieben, den Alltag des Ungläubigen in einer Zelle mit zwei Gläubigen, die Beschreibung der Röntgenassistentin und der Gerichtsverhandlungen erinnern.

Ein empfehlenswertes Buch? Wenn man die meisten Reflexionen überliest, ja!

Burkhard Heinz