Gesellschaft: Rechtsradikalismus und Jugendsozialarbeit

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In Sachsen ist die AFD bei den jüngsten Landtagswahlen nicht nur zweitstärkste Partei geworden, es hat sich auch gezeigt, dass der Anteil von Erstwählern und jungen Erwachsenen hier überproportional hoch ist.

Die „Forschungsgruppe Wahlen“ hat das jetzt empirisch zeigen können. Bei den Wahlberechtigten unter 30 Jahren holte die im Westen sich bürgerlich gebende, in Sachsen offen rechtsextrem auftretende Partei ganze 22 Prozent der Stimmen. Auch die U18-Sächsinnen und Sachsen, die noch gar nicht wählen dürfen, würden zu 16 Prozent AfD wählen.

Die Unterwanderungsversuche der traditionellen Jugendarbeit durch die Neonazi-Szene war bisher also alles andere als erfolglos. So konnte dem Aufbau zahlreicher Zentren „nationaler Jugendarbeit“ so richtig nichts entgegengesetzt werden.

Schon 2016 veröffentlichte das Umfrageinstitut dimap im Sachsen Monitor Zahlen, die wenig Gutes erhoffen ließen. Dort hieß es, dass 32% der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen der Ausssage zustimmten, dass es in ihrer Wohnungsumgebung ein, so wörtlich, „gefährliches Maß an Überfremdung“ gebe, obwohl der Anteil von „Ausländern“ tatsächlich grade einmal 4,9% betrug.

Der Kontakt der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit diesem nationalistischen und völkischen Gedankengut scheint bereits in den Familien zu beginnen. Die hier aufgeschnappten Überzeugungen werden in Freundeskreisen und selbstorganisierten Jugendclubs ausgetauscht und verfestigen sich hier. Social Media, Fußball-Hooligan-Gruppen, klassische soldatische Organisationen der extremen Rechten, bis hin zu „völkisch ökologischen Netzwerken“ und offen faschistischen Milizen stehen darüber hinaus als Instanzen einer erlebnisorientierten Subkultur für praktisch faschistische Aktivitäten bereit.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Umstand, dass durch öffentliche Auftritte z.B. von Pegida, Pro-Chemnitz, AFD, NPD sowie anderen alten und neuen Rechtsextremen im Rahmen z.B. von Rockkonzerten bestimmte offene und aggressive ausgelebte Haltungen als durchaus normal wahrzunehmen sind.

Die Landesregierung hat zwar im Jahr 2005 sein Programm „Weltoffenes Sachsen“ ins Leben gerufen, die 2010 durchgeführten, massiven finanziellen Einschnitte in der freien Jugendarbeit bewirkten dann aber genau das Gegenteil. Während die größeren Städte wie Leipzig, Dresden oder Chemnitz diesen Abbau mit kommunalen Mitteln finanziell ausgleichen und weitergehende negative Konsequenzen abfedern konnten, verdüsterte sich die Situation auf dem Land sehr. Wo die Kommunen eine entsprechenden finanziellen Ausgleich nicht aufbringen konnten, brach die öffentliche Jugendarbeit ein. Es entstanden so genannte „weiße Flecken“ in denen die Rechtsradikalen nun freie Hand für ihre „nationale Jugendarbeit“ hatten.

‚Es sei daher alles andere als verwunderlich, wenn solche Wahlergebnisse wie bei den letzten Landtagswahlen zu Stande kämen. Wir haben sogar Schlimmeres erwartet‘, so ein Mitarbeiter der „Forschungsgruppe Wahlen“. „Den Trend der Jugendlichen hin zu AFD sehen wir schon sehr lange.“