Wie Nazis buchstabieren oder Ü wie Übel

Die Regeln für das Phonodiktat erschienen zum ersten Mal 1983. Gemeint damit ist eine Sammlung von Anweisungen zum Buchstabieren. Es heißt offiziell und entsprechend der Regeln des Phonodiktats, wenn man das Wort „Ball“ buchstabiert, nämlich nicht B wie Bottrop, O wie Ochse, L wie Leipzig, sondern B wie Berta, O wie Otto und L wie Ludwig.

Verhindert werden sollen damit Verwechslungen wie die von Waffe und Waffel oder Glotze und Glatze.

Die Regeln des Phonodiktats, denen die Deutsche Industrie Norm DIN 5009 entspricht, sollte per Funk oder Telefon geführte Gesprächen vor allem in den Momenten sicherer machen, wenn Namen, Bezeichnungen, Kennungen oder Nummernschilder übermittelt werden.

Ursprung der 5009er Norm war die aus dem Jahr 1890 stammende postalische Buchstabentafel, in der es noch hieß D wie David, N wie Nathan, S wie Samuel, Z wie Zacharias und nicht, wie ab 1934, D wie Dora, N wie Nordpol, S wie Siegfried und Z wie Zeppelin.

„In Anbetracht des nationalen Umschwungs in Deutschland halte ich es für nicht mehr angebracht, die in der Buchstabiertabelle des Telefonbuchs aufgeführten jüdischen Namen (…) noch länger beizubehalten“, hatte sich ein Denunziant beim Postamt Rostock 1933 beschwert, so die Süddeutsche Zeitung in einem Bericht.

Die nationalsozialistische Politisierung der Buchstabeltafel führte auch dazu, dass aus Y wie Ypsilon, ab 1934, Y wie Ypern wurde, nur um an einen Ort in Belgien zu erinnern, wo im ersten Weltkrieg von deutschen Soldaten zum ersten Mal Giftgas eingesetzt wurde.
Konsequenterweise wurde dann auch aus Ü wie Überfluss bei den Nazis Ü wie Übel.

Die Entnazifizierung fiel bei diesen letzten beiden Buchstaben einfach, wurde so richtig aber nicht abgeschlossen, so dass sich der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte in einem Brief an das Deutsche Institut für Normung in Berlin wendete und forderte den Nordpol doch endlich wieder gegen Nathan zu tauschen und D nicht mehr mit Dora zu buchstabieren, sondern mit Deborah, statt mit David, wegen der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Der vollständige Bericht der Süddeutschen ist hier nachzulesen.

Burkhard Heinz
mediatpress®